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Monobloc

ein Film von Hauke Wendler

Deutschland 2021, 90 Minuten, deutsche Originalfassung

FSK 0

Kinostart: 27.01.2022

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Hier geht’s zur Podcastserie „Monobloc. Auf der Spur von einer Milliarde Plastikstühlen“.

Monobloc

Der Monobloc ist das meistverkaufte Möbelstück aller Zeiten. Weltweit soll es eine Milliarde Exemplare des stapelbaren, in Deutschland oft weißen Plastikstuhls geben. Für die einen bedroht er den guten Geschmack und ist eine enorme Gefahr für die Umwelt, für die anderen ist er der einzig erschwingliche Stuhl überhaupt.

Grimme-Preisträger Hauke Wendler folgt den vielfältigen Spuren des Monoblocs von Europa über Nordamerika und die Slums in Brasilien bis in die Megastädte Indiens und die Savanne Ugandas. Er trifft Menschen, deren Leben vom Plastikstuhl geprägt sind und stellt dabei immer wieder die kühne Frage: Was braucht man eigentlich, um glücklich zu sein? Eine globalisierungskritische Objektgeschichte zwischen Funktionalität und Schönheit, Kapitalismus und Teilhabe, Konsum und Recycling.

Trailer

Director’s Statement
Hauke Wendler über seinen Film

2013 sah ich ein Foto in der Zeitung: Da standen Dutzende dieser einfachen, weißen Plastikstühle in einer Wüste aufgereiht, inmitten der untergehenden Sonne. Ich dachte mir: Was für ein großartiges Bild – und was für eine unglaubliche Ansammlung von Plastikschrott!

Am Anfang war der Monobloc-Plastikstuhl für mich ein lächerliches Objekt: unambitioniert, nicht besonders schön, ökologisch bedenklich. Über die Jahre und die vielen Begegnungen mit Menschen, deren Leben eng mit diesem billigen Stuhl verknüpft ist, sind bei mir ganz andere Fragen entstanden. Das war die eigentliche Überraschung: Je weiter wir uns von zu Hause entfernten, um dem Monobloc hinterher zu spüren, umso mehr habe ich über unsere Welt und ihre Ordnung gelernt – und auch über unser Leben in Deutschland.

In der Corona-Krise fällt mir wieder auf, wie sehr wir im Westen um uns selbst und unsere Ängste kreisen. „Monobloc“ ist ein wilder Ritt, einmal um den halben Globus, der sagt: Schaut her, das ist die Welt da draußen und sie tickt anders als Ihr denkt. Ganz anders.

Hintergrund

„Monobloc“-Plastikstühle bestehen fast ausschließlich aus Polypropylen, einem weit verbreiteten Kunststoff, aus dem auch Joghurtbecher, Flaschendeckel oder Fahrradhelme gemacht werden. Polypropylen wird aus Erdöl hergestellt, lässt sich aber vergleichsweise gut recyceln. Erst mit der Erfindung des Polypropylen 1954 war es möglich, Stühle zu produzieren, die stabil und trotzdem extrem günstig sind. Darauf beruht der weltweite Siegeszug des Monobloc.
Einer der berühmtesten Vorgänger des Monobloc ist der Panton Chair. Ab 1958 veröffentlichte der Däne Verner Panton (1926-1998) mehrere Entwürfe des Designklassikers, gemeinsam mit der Firma Vitra, mit der er eng zusammenarbeitete. 1964 präsentierte der deutsche Architekt und Designer Helmut Bätzner (1928-2010) den Bofinger-Stuhl. Im Gegensatz zum Panton Chair ließ er sich stapeln und wurde aus Polyester gepresst. Das dauerte fünf Minuten – pro Stuhl. 1961 stellte Vico Magistretti (1920-2006) den Stuhl Selene vor. Von dem Italiener ist überliefert, dass er die Billigstühle aus dem Baumarkt als „vulgär“ ablehnte.
Erfunden wurde der Monobloc schließlich von Henry Massonnet (1922-2005). 1948 gründete er die „Societé de Transformation des Matières Plastiques“ (STAMP). 1974 erhielt er einen „Oscar du Meuble“ für seinen Monobloc, der revolutionär war und praktisch zugleich. Anfangs war der Stuhl als Designobjekt für gehobene Käuferschichten konzipiert. 300 Francs kostete ein „Fauteuil 300“, was 46 Euro entspricht, aber damals viel mehr wert war.
„Wenn man sich den ersten Monobloc von Massonnet ansieht, merkt man, dass der Hersteller versucht hat, diesem Stuhl einen Wert zu schenken. Massonnet wollte mit den neuen Kunststoff¬technologien damals ein Lifestyle-Objekt schaffen“, sagt Heng Zhi vom Vitra Design Museum, die auch eine Monobloc-Ausstellung kuratiert hat. „Heute geht’s nur noch um Effizienz. Da wird gespart ohne Ende und wenn die Materialstärke nicht mehr reduziert werden kann, macht man irgendwelche Aussparungen in die Rückenlehne. (…) Der Monobloc spiegelt die Sonnen- und die Schattenseiten unserer Konsumgesellschaft wider. Auf der einen Seite steht er an der Spitze der Rationalisierung. Andererseits muss man sich fragen: Wohin soll die ganze Rationalisierung und Effizienz unsere Gesellschaft noch führen?“
Das ist der Kern der Monobloc-Debatte: Die einen sagen, die Welt brauche den billigen Monobloc und belegen das mit Milliarden verkaufter Exemplare. Die anderen behaupten, es müsse bessere Alternativen geben. Mateo Kries, der Direktor des Vitra Design Museum, drückt es so aus: „Dieser Stuhl stellt immer wieder die uralte Frage neu: Welche Rolle spielt das Kriterium des Preises? Wenn ich so ein billiges Objekt mache, inwieweit darf ich Abstriche bei der Qualität in Kauf nehmen, aber dafür können ihn sich ganz viele Leute leisten?“
Viele Experten bezeichnen den Stuhl in diesem Spannungsfeld als „demokratisches Produkt“. Seine Herstellung ist einfach und kostet wenig. Bestenfalls arbeiten die Maschinen so präzise, dass am fertigen Stuhl nichts nachgebessert werden muss. Das spart Personalkosten und macht europäische Unternehmen konkurrenzfähig. Denn auch in Billiglohnländern muss man teure Maschinen einsetzen. Die Herstellung eines Monobloc dauert nur 50 bis 55 Sekunden. Das Polypropylen wird auf 220 Grad erhitzt und die flüssige Masse in eine Gussform gespritzt. Dann wird die Form mit Wasser abgekühlt. Wenn sie sich öffnet, ist der Monobloc fertig. Alle 50 bis 55 Sekunden zieht der Roboterarm einen fertigen Monobloc aus der Kunststoffspritzgießmaschine, so der vollständige Name. Macht in der Stunde mindestens 65 Stühle und am Tag gut 1.500 – pro Maschine.
Die Bedeutung des Monobloc im Leben der Menschen ist heute so vielfältig wie nie zuvor: Er hat Industriellenfamilien reich gemacht, ist in weiten Teilen der Welt das einzig erschwingliche Möbelstück überhaupt, bietet die Basis für den „billigsten Rollstuhl der Welt“ und das Grundmaterial für eine florierende Recycling-Industrie.

Biografie

HAUKE WENDLER (Regie, Buch & Produzent) ist ein deutscher Journalist, Dokumentarfilmer und Produzent und lebt mit seiner Familie in Hamburg. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören die Themen Flucht und Migration. Nach dem Politikstudium und zwölf Jahren als Autor beim Fernsehen, gründete er 2006 mit seinem Kompagnon Carsten Rau die PIER 53 Filmproduktion. Ihre Dokumentationen und Dokumentarfilme wurden vielfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mehrmals mit dem Grimme-Preis.

Filmographie

  • 2006

    „Abgetaucht – Illegal in Deutschland“ (TV), 44 Min.

  • 2007

    „Neun Finger, keine Papiere“ (TV, mit Carsten Rau), 44 Min., „Schlange stehen für altes Brot“ (TV), 29 Min.

  • 2011

    „Wadim“, 90 Min.

  • 2012

    „Schmeiss weg, kauf neu“ (TV, mit Carsten Rau), 44 Min.

  • 2013

    „Tod nach Abschiebung“ (TV, mit Carsten Rau), 44 Min.

  • 2014

    „Willkommen auf Deutsch“ (mit Carsten Rau), 90 Min.

  • 2016

    „Protokoll einer Abschiebung“ (TV), 44 Min., „Deportation Class“ (mit Carsten Rau), 85 Min.

  • 2021

    „Monobloc“, 90 Min.

Credits

Crew

Regie & Buch

Hauke Wendler

Schnitt

Sigrid Sveistrup

Kamera

Boris Mahlau

Zusätzliche Kamera

Jonny Müller-Goldenstedt

Originalton

Patrick Benze, Julian Krätzig, Detlev Meyer, Stefan Tuchel

Aufnahmeleitung

Andrea Pittlik

Ausstattung

Petra Edlich

Sounddesign

Timo Lindemann, Tonik Studio

Dialogschnitt

Tobias Farshim, Tonik Studio

Tonmischung

Yannick Rehder, Tonik Studio

Recherchen

Andrea Pittlik, Prachi Bari, Emanuela Casentini, Eduardo Duwe, Henry Wasswa

Sprecher

Jens Wendland

Produktionsassistenz

Andrea Pittlik, Jacob Hendriks (NDR)

Produktionsleitung

Stefan Hoffmann, Tim Carlberg (NDR)

Redaktion

Timo Großpietsch (NDR)

Produzenten

Carsten Rau und Hauke Wendler

eine PIER 53 Filmproduktion
in Koproduktion mit Norddeutscher Rundfunk
mit Unterstützung von Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Filmförderungsanstalt, Deutscher Filmförderfonds,
Creative Europe Programme – MEDIA

im Verleih von Salzgeber