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Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch

ein Film von Fabiano Maciel und Sacha

Deutschland 2007, 85 Minuten, portugiesische Originalfassung mit deutschen Untertiteln

FSK 0

Kinostart: 14. Januar 2010

Zur DVD im Salzgeber.Shop

Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch

Oscar Niemeyer hat in der modernen Architektur revolutionäre Veränderungen initiiert – seine Erweiterungen der Baupraxis u.a. durch die Verwendung von Stahlbeton sind legendär. Außerdem ist der Architekt auch mit über hundert Jahren immer noch eine der wichtigsten intellektuellen Stimmen seines Landes, ein Künstler, der sich zeitlebens für die Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens engagiert hat. Seine Bauten repräsentieren weltweit die Kultur Brasiliens – und sind selbst maßgeblich durch das brasilianische Volk und die brasilianische Landschaft geprägt.

Der in über zehnjähriger Arbeit entstandene Dokumentarfilm besucht die verschiedenen Stationen der Karriere von Oscar Niemeyer, folgt der Spur seiner Bauwerke von Rio und Belo Horizonte über São Paulo, Paris, bis nach New York und Niterói. Und er besucht natürlich auch die brasilianische Hauptstadt Brasília, die nach Niemeyers Plänen zwischen 1956 und 1960 im bis dahin kaum erschlossenen brasilianischen Hinterland entstand.

Das Bauhaus nannte Niemeyer ein starres „Paradies der Mittelmäßigkeit“. Er hielt es eher mit seinem Lehrer Le Corbusier, der Architektur als Erfindung definierte. Die Funktion sollte der immer wieder neuen, überraschenden Form folgen und nicht umgekehrt. Einfach, klug, direkt und schelmisch gibt Niemeyer seine Lebens- und Arbeitsweisheiten preis und lobt die Kurve als vollkommene architektonische Form.

Trailer

Galerie

Hintergrund

Gut gelaunt, schlecht gelaunt, scharfsinnig, vergesslich, einfach, kompliziert, modern, altmodisch, engagiert, pessimistisch, wortfaul, poetisch, scherzhaft… In vielen Facetten zeigt sich der Architekt in diesem Film, ohne falsche Rücksichtnahme, Klartext sprechend, auf der Grundlage eines reichen Lebens, einer beispiellosen Karriere und einer ungebremsten Aktivität.

Fertiggestellt, als sein Protagonist gerade seinen 100. Geburtstag feierte, dauerte die Produktion von „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ fast 10 Jahre, von den ersten Dreharbeiten im Jahr 1998 bis zur Premiere in Brasilien 2007. Ein Hinweis auf das zwiespältige Verhältnis, das man zu Niemeyer im eigenen Land pflegt – der Stolz auf die internationale Ausstrahlung seines Werks mischt sich seit den ersten Bauprojekten mit scharfer Kritik und vehementer Ablehnung. Leidenschaftlich wird seit Jahrzehnten diskutiert, ob sich Niemeyers Architektur „unbrasilianisch“, brutal, im Widerspruch zur grandiosen, vielfältigen Landschaft des Landes verhält, oder ob sie nicht gerade einen spezifisch „brasilianischen“ Weg der Moderne kennzeichnet, der den Einfluss Le Corbusiers in etwas Eigenes und wiederum enorm Einflussreiches verwandeln konnte und den Vielvölkerstaat seitdem für immer vom europäischen Vorurteil des „Entwicklungslandes“ befreit hat.

Auffällig ist jedenfalls, dass die brasilianische Architektur seit den ersten Niemeyerschen Innovationen keine Fortschritte zu machen scheint – sieht man von seinem eigenen Spätwerk ab!

Als Regisseur Fabiano Maciel und Produzent Sacha sich zusammen mit der Oscar-Niemeyer-Stiftung 1997 an ihr Vorhaben wagten, den Architekten brasilianischer Wahrzeichen und Gestalter der Landeshauptstadt in einem Dokumentarfilm selbst die Geschichte seines Lebens, seiner Karriere und seiner Kunst erzählen zu lassen, hatten sie mit allem Möglichen gerechnet – allerdings nicht mit der Schwierigkeit, dafür in Brasilien die nötigen Gelder zu erhalten. Doch genau das passierte. Erst 2004 stellte sich die nötige Unterstützung ein, bis dahin finanzierten sie das Projekt mit eigenen Mitteln.

Die lange Produktionszeit kam dem Film zugute. Es entstand eine ungewöhnliche Nähe zum Protagonisten und gleichzeitig erhielten die Filmemacher die Möglichkeit, auch die Entstehung so wichtiger Spätwerke wie dem Museum in Curitiba über einen langen Zeitraum zu verfolgen und das Gebäude schließlich noch im fertigen Zustand filmen zu können: als eine perfekte Metapher für die existentialistischen Fragestellungen des „späten“ Niemeyer.

Der Protagonist

OSCAR NIEMEYER, sicherlich einer der originellsten und einflussreichsten Architekten überhaupt, wird 1907 in Rio de Janeiro geboren. Er wurde als Student stark von Le Corbusiers Stadtplanungsvisionen und dessen „Fünf Punkten“ zur modernen Architektur beeinflusst. Der erste größere Wettbewerbsentwurf von Niemeyer, das Bildungsministerium in Rio (1937, heute als „Kulturpalast“ bekannt), zeigt diesen Einfluss deutlich. Aber schon in den 1940er Jahren macht sich eine Unabhängigkeit und Originalität in den Entwürfen bemerkbar, vor allem bei seinen Bauten im Belo-Horizonte-Vorort Pampulha: eine brasilianische Variante der Corbusier-Ästhetik, mit geschwungenen Formen, Rampen und Stützpfeilern, die der Architektur ihrer Zeit weit voraus war.

1956 überredete der gerade gewählte Präsident Brasiliens Juscelino Kubitschek Niemeyer, zusammen mit Lucio Costa die neue Landeshauptstadt Brasília zu planen. Niemeyer gelang es, mit einer Serie von öffentlichen Gebäuden regelrechte Architektur-Ikonen zu erschaffen, die einer staunenden Weltöffentlichkeit ein modernes Brasilien vorführten. „50 Jahre in 5 Jahren“ war der Slogan, und tatsächlich konnte Brasília nach nur fünf Jahren Bauzeit eingeweiht werden.

War Niemeyers Karriere bis dahin mit der Modernisierungsgeschichte seines Landes verbunden, wurde sie durch den militärputsch von 1964 jäh unterbrochen. Der Architekt profitierte von seinem internationalen Star-Ruhm und blieb als überzeugter Kommunist vom Militärregime unbehelligt.

Wie viele seiner Landsleute verließ Niemeyer schließlich doch seine Heimat und ging nach Nordafrika und Europa. auch dort war er mit seinem Konzept einer sinnlichen, brasilianischen Moderne erfolgreich und setzte u.a. mit dem Entwurf der Universität von Constantine (Algier), des Hauptsitzes der kommunistischen Partei Frankreichs (Paris) und des Verlagshauses Mondadori (Mailand) seine Arbeit fort.

Nach dem Ende der Militärdiktatur und der Generalamnestie von 1979 ging Niemeyer 1982 nach Brasilien zurück. Obwohl er bereits in einem Alter war, in dem andere in den Ruhestand gehen, erlebte seine Karriere einen ungebrochenen Verlauf. Spektakulär erhebt sich das Museum of Modern Art in Niterói gegenüber von Rio de Janeiro, auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht, wie eine fliegende Untertasse über einen Berghang. Das Oscar-Niemeyer-Museum in Curitiba ist in Form eines riesigen Auges gestaltet.

Niemeyer starb im Dezember 2012 in Rio de Janeiro kurz vor seinem 105. Geburtstag an den Folgen eines Melanoms. Im Jahr darauf wurden seine architektonischen Zeichnungen und Baupläne von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt.

Biografien

FABIANO MACIEL (Regie & Buch) wurde 1965 in Porto Alegre, Rio Grande do Sul geboren. Er produzierte in seiner Heimatstadt Rockshows, bevor er 1986 nach Rio de Janeiro zog und anfing, Videos und Fernsehbeiträge zu schreiben und zu produzieren. Der Dokumentarfilm „Moçambique“ (1996), das Porträt eines Landes nach einem 30-jährigen Bürgerkrieg, wurde zum RioCine Festival eingeladen und war ein erster Schritt für Maciel in Richtung abendfüllender Dokumentarfilm. 2003 folgte der preisgekrönte „Vaidade“ über Kosmetikverkäufer im Amazonasgebiet. Maciels bisher größter Erfolg wurde ein Jahr später präsentiert: „Carrapateira não tem mais ciúmes da apolo 11“ – ein dokumentarischer Essay über eine vernachlässigte Region in Brasilien, der auf diversen Festivals für Aufsehen sorgte und auch im New Yorker MoMA aufgeführt wurde. „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ („A Vida é um Sopro“) ist Maciels erster Kinodokumentarfilm.

SACHA (Produzent) kann mittlerweile auf 20 Jahre professionelle Erfahrung beim brasilianischen Fernsehen zurückblicken. Er produzierte und inszenierte mehr oder weniger alle dort möglichen Formate, von Werbespots über Shows, Sitcoms, Telenovelas bis hin zu Informationsprogrammen und langen Dokumentarfilmen. Mit Fabiano Maciel arbeitete Sacha bei dessen Film „Vaidade“ (2003) zusammen, hatte allerdings 1997 bereits mit ihm das Niemeyer-Projekt initiiert. Sacha ist außerdem Herausgeber von „Oscar Niemeyer: traço palavra forma“.

JOÃO DONATO DE OLIVEIRA NETO (Musik) gehört als Komponist, Pianist und Bandleader sicherlich zu den einflussreichsten Figuren der brasilianischen Popmusik. Er wurde 1934 in Rio Branco (Acre) geboren und galt früh als Wunderkind. Als Akkordionspieler konnte er bereits 1949 (mit 15 Jahren) professionell arbeiten. 1953 stieg er auf Klavier um, das Debütalbum seiner Band („Chá dançante”) wurde 1956 von Antonio Carlos Jobim produziert. Donato war enorm einflussreich sowohl in der Entwicklung der Bossa Nova, später in den USA an deren Popularisierung außerhalb Brasiliens, Anfang der 1970er (wieder nach Brasilien zurückgekehrt) in der Vermischung von brasilianischer Musik mit Jazz und psychedelischen Rockmusikelementen, danach als Vertreter der MPB (Musica Popular Brasilieira). Nach einer fast 20-jährigen Phase ohne Veröffentlichungen ist Donato seit Ende der 1990er wieder erfolgreich im Musikgeschäft aktiv. Von alten Weggenossen wie Gilberto Gil und Caetano Veloso bis hin zu jungen DJs umfassen Donatos musikalische Partnerschaften heute das gesamte Lexikon der brasilianischen Popmusik. Für den Soundtrack zu „Oscar Niemeyer – Das Leben ist ein Hauch“ schrieb er einige wenige prägnante musikalische Motive, über die er am Klavier mit seinen Bandmitgliedern Berna Ceppas, Kassim und Felipe Poli improvisierte.

Credits

Crew

Buch & Regie

Fabiano Maciel

Kamera

Marco Oliveira, Jacques Cheuiche

Schnitt

Joana Collier, Jordana Berg, Nina Galanternick

Ton

Bruno Fernandes Roberto Riva

Musik

João Donato

Aufnahmeleitung

Andrea Barros

Ausführende Produktion

Sacha

Produktionsleitung

Andrea Barros

Beteiligte Produzentin

Priscilla Martins Celeste

im Verleih von Salzgeber