ein Film von Stefan Haupt
Schweiz 2014, 100 Minuten, schweizerdeutsche Originalfassung mit deutschen Untertiteln und deutsche Synchronfassung
FSK 12
Kinostart: 23. Oktober 2014
Zürich, Mitte der 1950er Jahre. Der junge Lehrer Ernst unterrichtet an einer Mädchenschule und hält aus guten Gründen geheim, dass er an Männern interessiert ist. Er kommt in Kontakt mit der geheimen Schwulenorganisation „Der Kreis“ und arbeitet an ihrer gleichnamigen Zeitschrift mit, die Leser:innen in der ganzen Welt hat. Und auf einem der legendären Bälle des „Kreises“ verliebt sich Ernst unsterblich in den Travestie-Künstler Röbi. Während die Schweizer Polizei dazu übergeht, die Zürcher Homosexuellen zu registrieren und Angst und Erpressung die bürgerliche Existenzen der „Kreis“-Mitglieder zu zerstören drohen, gehen Ernst und Röbi eine Liebesbeziehung ein, die ein ganzen Leben lang halten wird. „Wir sind doch keine Verbrecher“, sagt Ernst zu Röbi. Sondern zwei von vielen Menschen, die für ihr Leben und ihre Liebe kämpfen.
Stefan Haupt („Elisabeth Kübler-Ross – Dem Tod ins Gesicht sehen“; „Ein Lied für Argyris“) verfilmte mit Schauspieler:innen (u.a. Marianne Sägebrecht als Mutter von Röbi) und Zeitzeugen den Höhepunkt in der Geschichte der frühen „Schwulenhilfsorganisatonen“ – in einer Zeit, in der in Russland und andernorts wieder Anti-Homosexuellen-Gesetze verabschiedet werden. Unter den zahlreichen Preisen, die der Film seit seiner Uraufführung im Berlinale-Panorama 2014 erhalten hat, sind der Teddy für den besten Dokumentarfilm, der Panorama-Publikumspreis, weitere Publikumspreise auf Festivals in Boston und Freiburg sowie Hauptpreise der schwullesbischen Filmfestivals in Turin und Los Angeles.
In Russland wird ein Anti-Homosexuellen-Gesetz unterzeichnet. In Uganda droht Homosexuellen lebenslängliche Gefängnishaft. In den USA wird von Suizidwellen unter schwulen Jugendlichen berichtet. In Belgrad kommt es nach einer Gay-Parade zu schweren Ausschreitungen. Und in Paris, der „Stadt der Liebe“, endet eine Demonstration gegen die Homo-Ehe in Straßenschlachten: selbst im so genannt fortschrittlichen Westeuropa ist der Weg von einem allfälligen Tolerieren hin zur vorbehaltlosen Akzeptanz von Homosexuellen auch heute mitunter noch sehr weit.
„Der Kreis“ handelt somit, trotz seiner zeitlichen Distanz und örtlichen Konkretheit, von einem globalen, nach wie vor hochaktuellen Thema. Er wirft einen wachen Blick auf einen historisch und gesellschaftspolitisch relevanten Zeitabschnitt im Kampf der Schwulen um Gleichberechtigung und Emanzipation. Ein Kampf, der noch längst nicht zu Ende ist.
Denn ich weiss noch genau, was es alles an Fragen und Gefühlen und Gedanken in mir ausgelöst hat, als sich vor Jahren mein Bruder mir gegenüber geoutet hatte. Über ihn habe ich später Röbi Rapp und Ernst Ostertag kennengelernt. Dass sich hinter ihrem Leben, und genauso hinter den Mauern unserer Stadt, eine so aufwühlende Geschichte verbirgt – von der Blütezeit des Kreises über die lange verschwiegene Repression bis hin zur ersten amtlich registrierten Partnerschaft der Schweiz, die sie 2003 in Zürich feiern konnten – , davon wusste ich lange Zeit überhaupt nichts, obwohl ich seit meiner Kindheit hier lebe. Und so ist „Der Kreis“ auch eine wichtige, aber unbekannte Geschichte meiner Stadt, die ich mit diesem Film erzählen möchte.
Ihre fundierte und reichhaltige Webseite zu Schwulen in der Schweiz und ihrer Geschichte haben Ernst und Röbi überschrieben mit: „Es geht um Liebe“. Dieser kurze Satz wurde mir zum eigentlichen Leitfaden des Films. Es geht nicht um verschiedene Schubladen und fein säuberlich getrennte Welten von „Normalen“ und „Abnormalen“, sondern um diese gemeinsame Suche nach Liebe, nach Glück und Erfüllung. Eine Suche, die sehr verschiedene Wege kennt.
„Der Kreis“, Anfang der Dreißigerjahre gegründet, entstand aus der frühen Schwulenbewegung des 20. Jahrhunderts und stand für ein idealisiertes schwules Selbstverständnis. Als weltweit einzige schwule „Selbsthilfeorganisation“, die die Zeit der Nazi-Herrschaft in Europa überlebt hatte, wurde er zum Vorbild für ähnliche Organisationen in verschiedenen Ländern Europas und sogar in den USA.
Gründer des „Kreis“ war „Rolf“, ein Pseudonym für den bekannten Schauspieler Karl Meier. Dieser baute ein internationales Netzwerk auf. Sein wichtigstes Kommunikationsmittel war die Publikation „Der Kreis – Le Cercle – The Circle“. Nebst Kurzgeschichten, Gedichten und Fotos publizierte er in der dreisprachigen Zeitschrift auch Artikel über die Aktivitäten von Homosexuellengruppen aus der ganzen Welt – und trug damit zum internationalen Austausch bei. Rolf stand in Kontakt mit den Schwulengruppen in den Niederlanden, in Skandinavien, Deutschland, Frankreich und den USA. Unter den Zeitschrift-Abonnenten waren viele bedeutende Persönlichkeiten, deren wahre Identität aber die meisten „Kreis“-Kameraden ebenso wenig kannten wie die Öffentlichkeit.
Ab 1948 betrieb „Der Kreis“ in Zürich ein Mietlokal im Gebäude des heutigen Theaters am Neumarkt, einen Club, in dem sich die „Homophilen“ trafen, den Gedankenaustausch pflegten und Bekanntschaften schlossen. „Der Kreis“ vereinigte all jene, die für die Rechte der Homosexuellen kämpften – auf rechtlicher Ebene sowie im wissenschaftlichen und kulturellen Bereich. Gleichzeitig war der Club einer der wenigen sicheren Begegnungsorte für Schwule. An den grossen, regelmässig stattfindenden Maskenbällen des „Kreis“ nahmen in den 50er-Jahren jeweils bis zu 800 Schwule teil, die für dieses Wochenende aus ganz Europa angereist kamen.
Ab 1959 nahm in Zürich, nicht zuletzt aufgrund mehrerer Morde im „Stricher-Milieu“, die gesellschaftliche Repression zu: Die Zürcher Stadtpolizei legte Schwulenregister an und führte regelmässige Razzien durch. Homosexuelle wurden verfolgt, verhört und misshandelt.
Gleichzeitig erlebte „Der Kreis“ auch einen internen Strukturwandel. Rolf, der Gründer und „Übervater“ der Organisation, vertrat einen moderat-angepassten Kurs, suchte immer wieder den Konsens mit den Behörden – und war auch zu entsprechenden Kompromissen mit der Sittenpolizei bereit. Dies im Gegensatz zu vielen jüngeren „Kreis“-Mitgliedern, die ein anderes Selbstverständnis pflegten und kompromissloser dachten.
Aufgrund eines 1960 durch den Stadtrat beschlossenen Tanzverbots für Männer mit Männern auf städtischem Boden verlor „Der Kreis“ seine wesentlichste Geldquelle, die grossen Ball-Veranstaltungen. 1961 musste das „Kreis“-Lokal geschlossen werden. Die zusätzlichen internen Diskussionen führten schliesslich dazu, dass die Zeitschrift eingestellt und die gesamte Organisation 1967 aufgelöst wurde. Erst die Zürcher Globuskrawalle lenkten 1968 das Interesse der Öffentlichkeit von den Schwulen ab: Die Polizei hatte „andere Sorgen“.
Dank der wertvollen Aufbauarbeit dieser Zürcher Organisation entstanden zahlreiche Nachfolgeorganisationen im In- und Ausland, die eigene Zeitschriften publizierten.
Die Geschichte im Kinofilm „Der Kreis“ basiert auf unserem Leben und umfasst die Zeit, als wir beide etwa 25 bis 32 waren. Der Filminhalt ist aus vielen Gesprächen sowohl mit den beiden Produzenten Ivan Madeo und Urs Frey wie auch mit dem Regisseur Stefan Haupt entstanden. Das war ein langer Prozess über mehr als sieben Jahre und betraf diverse Fassungen. Stets konnten wir uns dazu äußern, konnten auf personenbezogene, inhaltliche oder chronologische Unvollständigkeiten hinweisen, bis der fertige Film vorlag.
Am Anfang stand ein klarer Entscheid, den wir sofort begrüßt und unterstützt haben: Es sollte kein intellektueller Nischenfilm über den „Kreis“ oder uns beide werden, sondern ein Kinofilm, der ein breites Publikum anspricht. Sein Zentrum ist unsere Liebesgeschichte, die in ihrer Art in den 50er-Jahren gesellschaftliches Tabu war und nun, 60 Jahre später, bewusst die Frage aufwirft, wo und wie dasselbe Thema heute noch immer brennt.
Wenn es dem Film gelingt, eine solche Auseinandersetzung mit den Mitteln der Unterhaltung auszulösen, können und wollen wir beide – die wir jahrzehntelang für die Rechte von Schwulen und Lesben gekämpft haben – das Projekt voll und ganz unterstützen.
Das Drehbuch ist eine andere Version unserer Geschichte, aber zugleich eine Verdichtung dieser Geschichte. Sie fasziniert uns in ihrer Logik und wir fühlen die Kongruenz.
Wir stehen aus voller Überzeugung hinter dem Film „Der Kreis“ und wünschen ihm, den Machern und der ganzen homosexuellen Gemeinschaft, dass er jenes breite Publikum findet, das er verdient.
STEFAN HAUPT (Regie & Buch)
1998
„I’m just a simple person“, Dokumentarfilm, 49 Minuten
2000
„Increschantüm (Heimweh)“, Dokumentarfilm, 68 Minuten
2001
„Utopia Blues“, Kinospielfilm, 97 Minuten
2003
„Elisabeth Kübler-Ross – Dem Tod ins Gesicht sehen“ , Dokumentarfilm, 98 Minuten
2003
„Moritz“, TV-Spielfilm, 87 Minuten
2004
„Downtown Switzerland“, Dokumentarfilm, 94 Minuten
2006
„Ein Lied für Argyris“, Dokumentarfilm, 105 Minuten
2010
„How About Love“, Kinospielfilm, 109 Minuten
2014
„Der Kreis“, Kinospielfilm, 102 Minuten
2012
„Sagrada“, Dokumentarfilm, 90 Minuten
Auszeichnungen
EuroMedia Award 2013, Culture and Aesthetics, „Sagrada“; Nomination Schweizer Filmpreis 2011 Bester Nebendarsteller, „How About Love“; Nomination Schweizer Filmpreis 2007, Bester Dokumentarfilm, „Ein Lied für Argyris“; Publikumspreis am 9. Int. Dokumentarfilmfestival Thessaloniki 2007, „Ein Lied für Argyris“; Publikumspreis am Internat. Los Angeles Greek Film Festival 2007, „Ein Lied für Argyris“; Max Ophüls Preis Filmfestival Saarbrücken, 2007, „Ein Lied für Argyris“; Nomination Schweizer Filmpreis 2004, Bester Dokumentarfilm „Elisabeth Kübler-Ross“; Qualitätsprämie des EDI, „Elisabeth Kübler-Ross“; Schweizer Filmpreis 2002, Bester Spielfilm und Bester Darsteller, „Utopia Blues“; Zürcher Filmpreis, „Utopia Blues“; Max Ophüls-Preis 2002, Bestes Drehbuch und Bester Darsteller, „Utopia Blues“; Molodist Internationales Filmfestival Kiev 2002, Großer Preis der Jury, „Utopia Blues“; Interfilmpreis Saarbrücken 2002, Bester Film, „Utopia Blues“
MATTHIAS HUNGERBÜHLER (Ernst Ostertag, jung) besuchte die Universität der Künste in Berlin. Nach seiner Schauspielausbildung hat er in diversen Film- und Theaterproduktionen mitgewirkt. In „Der Kreis“ spielt er seine erste Titelrolle.
SVEN SCHELKER (Röbi Rapp, jung) ging 2008 auf die Otto-Falckenberg-Schule in München, wo er 2013 seine Schauspielausbildung abschloss. Seit 2012 ist er ein festes Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg. 2011 erhielt er den Förderpreis des Migros-Kulturprozent im Fachbereich Schauspiel als „vielversprechendster Studienpreisträger des Jahres“.
ANATOLE TAUBMAN (Felix) ist in Zürich geboren und studierte an der renommierten Schauspielschule Circle in the Square in New York. Er spielte bereits weltweit in mehr als 70 Filmen mit und gehört zu den bekanntesten Schweizer Schauspielern. Er ist auch UNICEF Schweiz Spokesperson und BBC Goodwill Ambassador.
2014
„Der Kreis“, Regie: Stefan Haupt, Contrast Film
2014
„Northmen – A Viking Saga“, Regie: Claudio Fäh, Ascot Elite
2013
„Die fünfte Gewalt“, Regie: Bill Condon, Dreamworks
2011
„Captain America: The First Avenger“, Regie: Joe Johnston, Marvel Enterprise
2008
„Die Päpstin“, Regie: Sönke Wortmann, Constantin Film
2008
„James Bond 007 – Quantum of Solace“, Regie: Marc Forster, Sony Pictures
2007
„Taken“, Regie: Pierre Morel, EuropaCorp
2006
„Marmorera“, Regie: Markus Fischer, Epix Media
2004
„Aeon Flux“, Regie: Karyn Kusama, Paramount Pictures
2002
„Luther“, Regie: Eric Till, NPF
2002
„Mein Name ist Bach“, Regie: Dominique de Rivaz, Pegasos Film
2008
Prix Walo als Bester Schauspieler (CH)
2004
Nomination Schweizer Filmpreis Bester Nebendarsteller in „Mein Name ist Bach“
MARIANNE SÄGEBRECHT (Erika Rapp) arbeitete von 1977 bis 1981 am Kabarett „Opera curiosa“ und spielte ab 1979 nebenher auch Theater. 1983 kam sie mit „Die Schaukel“ von Percy Adlon zu ihrer ersten Filmrolle. Durch die folgenden Filme wurde sie schnell populär. Immer wieder mimte sie glaubwürdig die einfache Frau von nebenan, die sich nichts gefallen lässt.
2014
„Der Kreis“, Regie: Stefan Haupt
2013
„Petterson und Findus“, Regie: Ali Samadi Ahadi
2012
„Omamamia“, Regie: Tomy Wigand
1999
„Asterix und Obelix gegen Caesar“, Regie: Claude Zidi
1996
„Der Unhold“, Regie: Volker Schlöndorff
1994
„Der kleine Lord“, Regie: Gianfranco Albano
1989
„The War of Roses“, Regie: Danny DeVito
1988
„Rosalie Goes Shopping“, Regie: Percy Adlon
1987
„Out of Rosenheim“, Regie: Percy Adlon
1984
„Zuckerbaby“, Regie: Percy Adlon
2009
Oberbayerischer Kulturpreis
2003
Bayerischer Verdienstorden
1989
Bambi
1988
Goldener Bundesfilmpreis für „Out of Rosenheim“
1986
Ernst Lubitsch-Preis für „Zuckerbaby“
1982
Schwabinger Kunstpreis
Ernst Ostertag, jung
Matthias Hungerbühler
Röbi Rapp, jung
Sven Schelker
Felix
Anatole Taubman
Erika Rapp
Marianne Sägebrecht
Rolf
Stephan Witschi
Gian
Antoine Monot Jr.
Regie
Stefan Haupt
Buch
Stefan Haupt, Ivan Madeo, Urs Frey
Chef-Kamera
Tobias Dengler
Szenenbild
Karin Giezendanner
Maskenbild
Miria Germano
Direktton
Ingrid Städeli
Beleuchtung
Raphael Toel
Schnitt
Christoph Menzi
Musik
Federico Bettini
Produktionsleitung
Olivier Monnard
Produzenten
Ivan Madeo, Urs Frey
eine Produktion von Contrast Film Zürich GmbH In Koproduktion mit SRF Schweizer Radio und Fernsehen
im Verleih von Salzgeber